Montag, 21. Dezember 2015

Viele-Deutsche-packen-den-Stress-im-Job-nicht-mehr

Überstunden machen, Pausen durcharbeiten, krank zur Arbeit kommen. Viele Deutsche achten im Job nicht auf ihre Gesundheit – und fürchten schon den Tag, an dem sie das Tempo nicht mehr halten können.


Durch Stress im Job setzen viele Arbeitnehmer in Deutschland ihre Gesundheit aufs Spiel. Fast ein Viertel (23 Prozent) der Beschäftigten verzichtet auf Pausen, und jeder Achte erscheint sogar krank am Arbeitsplatz, wie eine am Montag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung und der Krankenkasse Barmer GEK ergab. Jeder Dritte fühlt sich von den wachsenden Ansprüchen im Unternehmen überfordert. Durch den steigenden Ergebnisdruck am Arbeitsplatz geraten viele in Gefahr, sich gesundheitlich selbst zu gefährden. Das zeigt sich der Studie zufolge nicht nur im Verzicht auf Erholung. Die Betroffenen konsumieren auch übermäßig viel Nikotin oder vermeintlich leistungssteigernde Medikamente.

Knapp ein Viertel der Vollzeit-Beschäftigten legt demnach ein Arbeitstempo vor, von dem sie selbst glauben, dass sie es langfristig nicht durchhalten. 18 Prozent sehen sich oft an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Für viele wird der Job zum Hamsterrad: Nur jeder zweite Arbeitnehmer glaubt demnach, dass er dieser Spirale aus steigendem Druck und Überforderung entrinnen kann. Jeder Zweite meint, keinen oder nur geringen Einfluss auf die Arbeitsmenge zu haben.
40 Prozent sagen das auch über ihre Arbeitsziele.

Andere Kultur statt neuer Vorschriften

Um dies zu ändern, müssen sich nach Ansicht von Barmer-GEK-Chef Christoph Straub die Unternehmen stärker engagieren. "Wir brauchen in erster Linie keine neuen Rechtsvorschriften", sagte Straub mit Blick auf das von der Koalition geplante Präventionsgesetz. Nötig sei vielmehr eine unternehmerische "Kultur, die Gesundheit als Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg anerkennt und fördert". Auch Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, sieht die Unternehmen in der Pflicht. Das Management könne die Leistungskultur maßgeblich beeinflussen.

Um das selbstgefährdende Verhalten der Beschäftigten zu reduzieren, schlagen die Autoren der Studie regelmäßig verbindliche und realistische Zielvereinbarungsgespräche mit dem Arbeitgeber vor. Die vereinbarten Ziele müssten innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar sein, erklärte Anja Chevalier von der Sporthochschule Köln.

Die Gefahren der Digitalisierung

Besonders wichtig sei, dass Arbeitnehmer ein Gefühl für die eigenen Grenzen entwickeln, damit sie ihr Leistungspotenzial auch langfristig optimal ausschöpfen könnten, sagte Gert Kaluza vom GMK-Institut für Gesundheitspsychologie in Marburg.
"Die Studie belegt einen gefährlichen Trend, der durch die Digitalisierung der Arbeitswelt beschleunigt wird. Das Versprechen neuer Freiheiten verkehrt sich ins Gegenteil, wenn nur noch Ergebnisse zählen und unerreichbare Zieldiktate vorgegeben werden", sagte Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied. Arbeitsverdichtung, Arbeitshetze und Entgrenzung dürften aber nicht unter dem Deckmantel einer Pseudo-Freiheit zum Markenzeichen moderner Arbeit werden. "Wichtig ist, dass das Verhältnis von Arbeitszeit und Arbeitsleistung wieder ins Lot kommt, damit Arbeitszeit nicht entwertet wird." Dafür seien mehr Mitsprache und Mitbestimmung der Beschäftigten notwendig.

Für die Studie wurden rund tausend Erwerbstätige befragt. Bereits seit zehn Jahren analysieren Barmer GEK und Bertelsmann-Stiftung mit dem Gesundheitsmonitor Entwicklungen in der Gesundheitsversorgung.
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